Die Rückkehr des Zweiklassewohnens
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Finanzinvestoren kaufen in Deutschland Wohnungen en bloc
Text aus: ak - analyse und kritik/ Nr. 518 / 22.06.2007, Autor: Andrej Holm
Als "neue Anbieterstrukturen" geistern sie durch die Fachpublikationen, als "Heuschrecken" haben sie über Franz Müntefering den Weg in die öffentliche Diskussion gefunden und als BesitzerInnen von über 700.000 Wohnungen bestimmen sie die Wohnsituation von über einer Millionen MieterInnen in Deutschland. Finanzinvestoren und Anlagefonds wie Cerberus, Deutsche Annington oder Fortress sind in den vergangen Jahren massiv auf die hiesigen Wohnungsmärkte gedrängt und waren an der Mehrzahl der Wohnungsprivatisierungen beteiligt. Auch wenn als zentrale Legitimationsmuster für die Wohnungsverkäufe immer wieder die "leeren Haushaltskassen" herhalten müssen, Wohnungsprivatisierungen sind vor allem aus ihren globalen ökonomischen Zusammenhängen heraus zu erklären.
Einmalig für Wohnungsprivatisierungen erfolgt der Verkauf vormals öffentlicher Wohnungen in Deutschland nicht direkt an die BewohnerInnen, wie es in Großbritannien aber auch in Osteuropa zu beobachten war, sondern als En-Bloc-Verkauf an Finanzinvestoren. Frühere Privatisierungswellen im Wohnungsbereich waren von einer schlichten Überführung öffentlicher Wohnungsunternehmen in privates Wohneigentum gekennzeichnet. Sowohl das von der Regierung Thatcher 1980 eingeführte Right-to-Buy als auch die Mikroprivatisierungen der 1990er Jahre in den ehemals sozialistischen Gesellschaften richteten sich direkt an die BewohnerInnen und zielten auf eine Erhöhung der Wohneigentumsquote. Das Ende des öffentliche Wohnungsbau verstand sich in diesen Ländern zugleich als ein Abschied vom Mietwohnen und entzog die Wohnungsbestände so der Wohnungsbewirtschaftung großer Unternehmen.
Im Gegensatz dazu erfolgten die Wohnungsverkäufe deutscher Kommunen in den vergangen fünf Jahren überwiegend an Finanzinvestoren, die in ihren Investitionsstrategien auf die Bewirtschaftung möglichst großer Bestände setzen. Die Privatisierung hier bedeutet nicht den Wechsel von einer öffentlichen Bereitstellung zu einer individuellen Versorgung, sondern die Auslieferung einer so basalen Lebensgrundlage wie des Wohnens an die Verwertungsinteressen internationaler Finanzinvestoren. Die Wohnungsprivatisierung in Deutschland ist damit nicht nur als eine Auflösung des Öffentlichen und die neoliberale Durchsetzung von Eigenverantwortung zu verstehen, sondern als Teil einer finanzdominierten Akkumulationsweise. Die regelmäßigen und stabilen Einnahmen in Mietwohnungsbeständen erscheinen dabei als eine notwendige Voraussetzung. Denn auf der Basis von bis zu 90 Prozent Krediten realisieren sich die Gewinne der Finanzinvestoren letztlich durch kleine Zusatzgeschäfte. Während die Mieteinnahmen die Kreditkosten des Fremdkapitals decken, stellen der Verkauf einer kleinen Wohnanlage oder die Reduzierung der Verwaltungskosten berechnet auf den Eigenkapitalanteil eine erhebliche Gewinnmarge dar.
Ein Blick auf Cerberus, den Erwerber von 64.000 Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW in Berlin, zeigt exemplarisch, welche Strategien die neuen Eigentümertypen in ihrem Repertoire haben. Die Aktivitäten von Cerberus richteten sich nach dem Kauf im Jahre 2004 zunächst auf die internen Strukturen des Unternehmens. Veränderte Kreditlinien und Neubewertungen auf der einen und eine Optimierung der Verwaltungsarbeit auf der anderen Seite waren wesentliche Unternehmensschritte in den ersten zwei Jahren nach der Privatisierung. Bezogen auf den Wohnungsbestand jedoch zeichnen sich sehr verschiedene Strategien ab: Verkauf, Modernisierung und Umwandlung auf der einen, stabile Vermietung auf der anderen Seite.
Diese verschiedenen Strategien der Gewinnmaximierung wirken sich - wenig überraschend - auf die Wohnungsbestände und die dort lebenden MieterInnen unterschiedlich aus. Insbesondere die Aufwertungs- und Umwandlungsstrategien setzen in der Regel auf einen Austausch der Bewohnerschaft und lösen die typischen Verdrängungseffekte von Gentrifizierungsprozessen aus. Betroffen davon ist bisher nur ein geringer Teil der privatisierten Wohnungsbestände.
Vor allem in Großstädten wie Berlin und Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Haushalten, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, sind auch Finanzinvestoren auf die Vermietung an einkommensschwache Haushalte angewiesen. Erste Untersuchungen zeigen, dass sich die Mietpreise der Wohnungsangebote der neuen Eigentümer in großen Teilen an den festgelegten Höchstgrenzen der Angemessenheit der Unterkunftskosten orientieren. Hohe Leerstandsquoten können sich eben auch Finanzinvestoren nicht leisten.
Doch anders als klassische und auch öffentliche Wohnungsunternehmen, die ihre Wohnungsbewirtschaftung an einer langfristigen Bestandsverbesserung orientieren, haben anlageorientierte Investoren vor allem die jährlichen Bilanzen im Blick. Wo höhere Mieten nicht realisiert werden können und interne Optimierungen der Arbeitsabläufe ausgeschöpft sind, bleibt oft nur noch die Reduzierung von Instandsetzungs- und Serviceausgaben. Solche Desinvestitionsstrategien (1) fallen in den ersten Jahren kaum ins Gewicht - langfristig jedoch werden sie sich in einer deutlichen Verschlechterung der Wohnqualität niederschlagen. Schon jetzt leben etwa ein Viertel aller Berliner Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften in minderausgestatteten Substandardwohnungen. Die ökonomischen Strategien der Finanzinvestoren in den privatisierten Beständen wird diese Situation verstärken und muss als ein Motor für die Rückkehr des Zweiklassenwohnens in Deutschland verstanden werden.
Andrej Holm
Anmerkung:
Desinvestition oder auch Devestition ist das Gegenteil der Investition. Im Kontext der Wohnungswirtschaft beschreibt Desinvestition die Reduzierung bzw. Einstellung von investiven Ausgaben für den Erhalt und die Verbesserung der Bausubstanz.