Tübingen: Demo gegen Wohnungsnot, Wohn-Out und "Warnbesetzung"
Aus Recht auf Stadt, Plattform fuer stadtpolitisch Aktive
Am vergangenen Freitag, dem 23.10.2015, demonstrierten ca. 200 Leute gegen die Wohnungsnot und die Mietsteigerung in Tübingen. Im Anschluss an die Demonstration bauten über Hundert Demonstrierende ein Protestcamp auf der Neckarinsel auf, wo verschiedene Aktionen stattfanden. Am späteren Abend wurde dazu ein Leerstehendes Haus geöffnet, welches von über 80 Leuten besucht wurde. Die Polizei hielt sich zurück.
Die Lage in Tübingen
Nur 3 Städte in Deutschland sind was das Wohnen angeht teurer als Tübingen. 400 Euro für ein kleines WG-Zimmer sind hier keine Seltenheit mehr. Vor wenigen Jahren gab es, obwohl die Mieten hier schon lang sehr teuer sind, trotzdem noch viele billigere Zimmer. Doch diese werden seit der Einführung des Mietspiegels in Tübingen immer seltene. Das Thema Wohnungsnot ist daher eines der Widersprüche die hier die meisten Leute spüren. Darum hat sich ein Bündnis gegen Wohnungsnot zusammengetan (Die Linke, Falken, Interventionistische Linke Tübingen, SDAJ, das selbstverwaltete Studentenwohnheim Wilhelma und Bewohner von Häusern des Tübinger Mietshäuser-Syndikats) um endlich den ersten großen Protest gegen diese Situation zu organisien.
Mehr Infos zur Wohnsituation im Aufruf des Bündnisses gegen Wohnungsnot: http://www.tueinfo.org/cms/node/22873
oder auch im Tübinger Tagblatt: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Keiner-weiss-genau-wie-viele-Haeuser-leer-stehen-_arid,190333.html
Die Demo
Das Bündnis gegen Wohnungsnot hat zum Protestspaziergang gegen Wohnungsnot und Mietsteigerung aufgerufen. Knapp 200 Leute folgten dem Aufruf, was für die Veranstalter eine zufriedenstellende Zahl für die Kleinstadt Tübingen darstellt.Leider war davon aber nur ein geringerer Anteil an "unpolitischen" Studierenden, die zwar auch massiv von der Wohnungsnot in Tübingen betroffen sind, und dank der relativ guten Mobilisierung davon mitkommen haben müssten, aber wohl zum Großteil nicht einfach so auf eine Demo gehen.
Auf den Kundgebungen wurden vor allem die Ursachen hinter der schlechten Wohnungssituation aufgezeigt und dabei sowohl auf den zurückgehenden sozialen Wohnungsbau wie die kapitalistische Verwertung von Wohnraum insgesamt hingewiesen. Durch das breite Bündnis kamen aber auch Besetzungs-Parolen und Transparent auf der Demo vor. Außerdem gab es im Laufe der Demo einige Besetzungstransparente, die, oft nur kurz, an Leerständen auf der Demoroute hingen.
Am Ende der Demonstration wurde in Anlehung an den Bauernaufstand der Region von 1514 ("der Arme Konrad") eine "Wasserprobe" gemacht, um in einem solchen "Gottesurteil" festzustellen, dass die hohen Mietpreise und die Profitmacherei mit Wohnraum nicht rechtens sind. Dafür wurde ein riesiger Schlüssel in den Neckar geworfen, welcher schwimmen sollte, sofern die Zustände gerechtfertigt seien: Er versank. Die aufständischen Bauern hatten damals im naheliegenden Remstal auf ähnliche Weise Stimmung gegen die neuen Gewichte des Herzog Ullrich gemacht, welche die Abgaben an ihn trotz der Not der Bauern erhöht hätten.
Ein relativ guter Bericht kommt vom Tübinger Tagblatt: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-200-Demonstranten-forderten-eine-sozialere-Wohnungspolitik-_arid,322678.html
Das Wohn-Out
Circa 100 Demonstrierende begaben sich nach der Abschlusskundgebung auf der Neckarbrücke auf die anschließende Neckarinsel, wo Bierbänke und -tische und Sofas aufgebaut waren und Zelte und Pavillions aufgestellt wurden. Bei Musik, Feuertonne und verschiedenen Spielen (z.B. Glücksrad oder Quiz um die Wohnsituation in Tübingen) und später auch Eintopf und Glühwein verbrachte die langsam schrumpfende Menge den Abend. Ursprünglich gab es die Idee aus Protest auf der Insel zu Zelten, was spontan aber dann doch abgesagt wurde.
Die Warn-Besetzung
Gegen 21:30 begab sich eine Gruppe von 40 Leuten die um die Ecke liegende Gartenstraße entlang, um festzustellen dass die Gartenstraße 7, ein schon 20 Jahre leerstehendes und in der Zeitung viel diskutiertes Haus, offen stand. Spontan begaben sie sich in den im Erdgeschoss befindlichen ehmaligen Haushaltswarenladen und sorgten für eine gemütliche Athmosphäre. Im Laufe des Abends besuchten ca. 80 Menschen den offenen Laden und feierten den Besuch des - trotz Wohnungsnot - so lange der Öffentlichkeit vorenthaltenen Raum. Das Haus hat 4 Stockwerke, von dem mindestens 3 seit geraumer Zeit leerstehen. Mit dieser "Warn-Besetzung" , so einige Aktive der Besetzung, sollte auf den Leerstand und die Widersprüche des kapitalistischen Wohnungsmarktes hingewiesen werden, welches den Weniger-Priviligierten (Arbeitslose, Working Poor, Alleinerziehende, Großteil der Studis) oft die Hälfte ihres Monatseinkommens durch Miete raubt und den Eigentümern als Rendite überträgt. Das Haus wurde aber in der Nacht wieder vollständig verlassen und fand sich am nächsten Tag verschlossen wieder.
Auch dazu gibt es einen relativ guten Artikel des Tagblatts: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Aktivisten-%E2%80%9Eerkunden%E2%80%9C-leer-stehendes-Haus-in-der-Gartenstrasse-_arid,322798.html
und einen gewohnt grottenschlechten (pro-kapitalistischen) im Reutlinger GEA: http://www.gea.de/region+reutlingen/tuebingen/demo+aufruf+zur+besetzung+leer+stehender+haeuser.4486377.htm