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Lage im Ruhrgebiet: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Recht auf Stadt, Plattform fuer stadtpolitisch Aktive

 
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Das Netzwerk versucht ruhrgebietsweite Themen aufzugreifen, Entwicklungen zu verstehen und damit lokale Projekte zu unterstützen. In den einzelnen Städten gibt es derzeit keine lokalen Bündnisse, aber einige Gruppen, die sich stadtpolitische Themen beschäftigen.  
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Das Recht auf Stadt Ruhr Netzwerk diskutiert Ende 2016 inwieweit die alte 2016 im Manifest "Von Detroit lernen" formulierten Einschätzungen noch gelten (siehe unten). Die Finanzlage der Kommunen ist weiter angespannt. Als neue Entwicklungen stellt das Netzwerk aber fest, daß die Entwicklungen im Ruhrgebiet zunehmend auseinandergehen zwischen Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen, die teilweise weiter schrumpfen und Städten wie Essen und Dortmund, die längst wieder wachsen. In diesen stellt sich die Wohnungsfrage neu. Der Leerstand ist gering geworden, die Mietpreise steigen. In Anbetracht der vergleichsweise geringen Einkommen, können die steigenden Mieten schnell zu Verdrängungen führen. In einzelnen Stadtteilen beginnen teilweise mit Unterstützung der Kommunen Aufwertungsprozesse, die Momente von Gentrifizierung nach sich ziehen. 
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Interessant sind andererseits die stärker werdenden Selbstorganisierungsprozesse. Es scheint immer mehr Initiativen zu entstehen, die solidarische oder ökologisch inspirierte Projekte (wie Foodsharing, Urban Gardening ...) voranbringen. Inwieweit diese Projekte als Gentrifizierer wirken oder solidarisch für alle wirken ist offen. Das Netzwerk schätzt es erstmal positiv ein, daß solche Projekte das durchdringende Gefühl im Ruhrgebiet "mensch kann eh nix machen" oder "woanders ist auch scheisse" aufheben.  
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== Die alte Einschätzung vom 2014 ==
  
 
Die grundsätzliche Sichtweise von RechtaufStadt Ruhr geht davon, dass sich stadtpolitische Kämpfe im Ruhrgebiet vielfach von den Auseinandersetzungen in den wachsenden Städten unterscheiden. Das Ruhrgebiet schrumpft seit Jahrzehnten. Die Mieten sind seit vielen Jahren wenig gestiegen. Es gibt viel Leerstand von Wohnungen (allerdings zwischen den Städten und den Stadtteilen unterschiedlich verteilt), Flächen und alten Industriegebäuden. Gentrifizierung spielt eine geringe Rolle. Mieter haben eher Probleme mit untätigen Vermietern. Viele ehemals kommunale und werksverbundene Wohnungen wurden an Finanzinvestoren verkauft, die pauschal gesprochen wenig investieren. Neubau findet kaum statt, wenn dann allerdings fast nur hochpreisig. Daher deutet sich trotz Leerstand immer mehr an Mangel an bezahlbaren Wohnungen an.  
 
Die grundsätzliche Sichtweise von RechtaufStadt Ruhr geht davon, dass sich stadtpolitische Kämpfe im Ruhrgebiet vielfach von den Auseinandersetzungen in den wachsenden Städten unterscheiden. Das Ruhrgebiet schrumpft seit Jahrzehnten. Die Mieten sind seit vielen Jahren wenig gestiegen. Es gibt viel Leerstand von Wohnungen (allerdings zwischen den Städten und den Stadtteilen unterschiedlich verteilt), Flächen und alten Industriegebäuden. Gentrifizierung spielt eine geringe Rolle. Mieter haben eher Probleme mit untätigen Vermietern. Viele ehemals kommunale und werksverbundene Wohnungen wurden an Finanzinvestoren verkauft, die pauschal gesprochen wenig investieren. Neubau findet kaum statt, wenn dann allerdings fast nur hochpreisig. Daher deutet sich trotz Leerstand immer mehr an Mangel an bezahlbaren Wohnungen an.  

Aktuelle Version vom 29. November 2016, 13:31 Uhr

Das Recht auf Stadt Ruhr Netzwerk diskutiert Ende 2016 inwieweit die alte 2016 im Manifest "Von Detroit lernen" formulierten Einschätzungen noch gelten (siehe unten). Die Finanzlage der Kommunen ist weiter angespannt. Als neue Entwicklungen stellt das Netzwerk aber fest, daß die Entwicklungen im Ruhrgebiet zunehmend auseinandergehen zwischen Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen, die teilweise weiter schrumpfen und Städten wie Essen und Dortmund, die längst wieder wachsen. In diesen stellt sich die Wohnungsfrage neu. Der Leerstand ist gering geworden, die Mietpreise steigen. In Anbetracht der vergleichsweise geringen Einkommen, können die steigenden Mieten schnell zu Verdrängungen führen. In einzelnen Stadtteilen beginnen teilweise mit Unterstützung der Kommunen Aufwertungsprozesse, die Momente von Gentrifizierung nach sich ziehen.

Interessant sind andererseits die stärker werdenden Selbstorganisierungsprozesse. Es scheint immer mehr Initiativen zu entstehen, die solidarische oder ökologisch inspirierte Projekte (wie Foodsharing, Urban Gardening ...) voranbringen. Inwieweit diese Projekte als Gentrifizierer wirken oder solidarisch für alle wirken ist offen. Das Netzwerk schätzt es erstmal positiv ein, daß solche Projekte das durchdringende Gefühl im Ruhrgebiet "mensch kann eh nix machen" oder "woanders ist auch scheisse" aufheben.

Die alte Einschätzung vom 2014

Die grundsätzliche Sichtweise von RechtaufStadt Ruhr geht davon, dass sich stadtpolitische Kämpfe im Ruhrgebiet vielfach von den Auseinandersetzungen in den wachsenden Städten unterscheiden. Das Ruhrgebiet schrumpft seit Jahrzehnten. Die Mieten sind seit vielen Jahren wenig gestiegen. Es gibt viel Leerstand von Wohnungen (allerdings zwischen den Städten und den Stadtteilen unterschiedlich verteilt), Flächen und alten Industriegebäuden. Gentrifizierung spielt eine geringe Rolle. Mieter haben eher Probleme mit untätigen Vermietern. Viele ehemals kommunale und werksverbundene Wohnungen wurden an Finanzinvestoren verkauft, die pauschal gesprochen wenig investieren. Neubau findet kaum statt, wenn dann allerdings fast nur hochpreisig. Daher deutet sich trotz Leerstand immer mehr an Mangel an bezahlbaren Wohnungen an.

Zentrales Problem ist die hohe und weiter steigende Armutsquote. Diese hat viele Folgen von Perspektivlosigkeit bis hinzu schlechten Gesundheitsversorgung. Das Thema Armut wird aber in den Kommunen nicht thematisiert. Armut wird verwaltet, ggf repressiv.

Für das Netzwerk stellt sich spezifische Herausforderung. So gibt es trotz des kontinuierlichen Downgrading der Lebensbedingungen (Pleitstädte, hohe Arbeitslosigkeit, Hartz IV...) wenig Widerstand. Stattdessen herrscht eine Stimmung des "woanders ist auch scheisse" (Frank Goosen) vor. Die wenig ausgeprägte Widerständigkeit liegt möglicherweise auch an der Stadtstruktur. Es gibt kein Zentrum, sondern viele multipolare kleine Zentren. Häufig fehlt eine urbane Kultur, die dissidente Gegenkulturen stärkt.

Die vielbeschworene solidarische Kultur des Ruhrgebiets wird im Netzwerk eher als Mythos gesehen. Die alte Arbeiteraristokratie hat längst ihre Einfamilienhäuser gebaut und verteidigt ihr Zäune. Eine der wenigen Ausnahmen ist die widerständige Mieterschaft der Zinkhüttensiedlung. Die zugehörigen Industrieunternehmen sind zudem weitgehend geschlossen. Neue solidarische Kulturen der Subalternen sind wenig sichtbar.

Mit der Zerstörung der eigensinnig handelnden Arbeiterbewegungen durch sozialdemokratisches Handeln, hat sich zudem ein nachhaltiges Moment der Kultur eingepflanzt. Die Sozialdemokratie hat eine ausgesprochene TopDownKultur des Wohfahrtstaats ausgearbeitet. Statt Streiks waren es immer mehr starke Gewerkschaften, die gute Löhne aushandelten. Statt solidarischer Kultur boten die Städte viel staatliche soziale Infrastruktur. ...

Dieses Denken hat so in weit weniger selbstständiges Handeln als in anderen Städten ausgewirkt. Ökonomisch hängt noch vieles im 20.Jahrhundert fest, in dem zentrale Bereiche in großen Organisationsgrößen gelebt wurde: SPD, DGB, Thyssen, Krupp, Ruhrkohle... . Macht ein Unternehmen zu warten die städtischen Eliten auf den nächsten Großinvestor. Bis dieser kommt, was er meist nicht tut, wird der Leerstand verteidigt. Die Idee der Zwischennutzung, kleiner Unterunternehmen, Kreativwirtschaft ist daher wenig ausgeprägt. Recht auf Stadt Ruhr spricht hier polemisch "die sind zu blöd für Gentrifizierung".

Das tief verankerte kulturkonservative Denken sorgt für große Schwierigkeiten für off-kultur Inis und politische Gruppen. Obwohl massenhaft Leerstand da ist, ist es meist unmöglich diesen zu öffnen.

Eine der Hauptaufgaben sieht das Recht auf Stadt Ruhr wegen der beschriebenen Probleme in der Unterstützung von Initiativen, die lokale, solidarische und umkommerzielle Projekte aufbauen und über die Stadtgrenzen bekannt zu machen. Dies grade auch besonders, um der grundpessimistischen und wenig widerständigen Stimmung etwas entgegenzusetzen.