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Radio-Lora Sendung nach dem Kongress 2011: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Recht auf Stadt, Plattform fuer stadtpolitisch Aktive

 
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2015, 16:43 Uhr

"Die Stadt als Fabrik" (von Radio Lora (München) gesendet am 6.10.2011, Audio und Manuskript gibts auf http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol098)

In Hamburg endete am Sonntag der "Recht-auf Stadt"-Kongress, der große Diskurs einer neuen Bewegung, die sich als Netzwerk versteht. Die Teilnehmer hatten sich zum Auftakt im Centro Soziale am Donnerstag erst mal zu einem Glas Sekt getroffen getroffen und sind dann zur "Roten Flora" ins Schanzenviertel "gegangen". Es war eine Demonstration von mindestens 300 Menschen, aber niemand scherte sich um eine Anmeldung oder dergleichen. Das sei man so schon gewohnt in Hamburg, wurde mir gesagt. Kein Polizist weit und breit, die Autos blieben auch so stehen - eben weil man es gewohnt war. Im großen Saal der "Roten Flora" ging es dann um eine neue Lage in der Auseinandersetzung mit dem Kapital, wie sie sich aus der Gentrifizierung der Städte ergeben hat (siehe hierzu “Recht auf Privateigentum“ oder “Recht auf Stadt"?). Und an den drei drauffolgenden Tagen fanden dann 40 Workshops der Arbeitskreise statt, die sich hierfür eingetragen hatten. In den Thesen zum Kongress schrieben die Initiatorinnen als allgemeine Begründung:

"Mit dem Ende des Industriezeitalters gewinnen Städte wieder an Bedeutung als Orte der Produktion – diesmal von Bedeutungen, Images, Netzwerken, Haltungen, Subkulturen, die den Kern der neuen kapitalistischen Wertschöpfung bilden. Der "Subjektive Faktor", einst feministisch geprägter Einwand gegen die funktionale Zurichtung von Leben und Politik in der Fabrikgesellschaft, dient als kreative Ressource des prekarisierten "unternehmerischen Selbst". Letzteres ist auf gut vernetzte, offene Viertel angewiesen – die Gentrifizierungsgebiete, denen die Absturzzonen am Rande der Stadt gegenüber stehen – und mehr noch, auf eine ausbeuterische Warenproduktion in den Maquiladoras des globalen Südens. Denn deren Schwerstarbeit, die erst die Dinge fürs Leben zu Schleuderpreisen schafft, ist das dunkle Geheimnis der "kreativen Klasse". Welche neuen Allianzen bieten Möglichkeiten für Widerstand in der vollintegrierten Stadtfabrik? Wie sieht eine selbstbestimmte städtische Ökonomie aus, die sich nicht zum Komplizen der globalen Ausbeutung macht? Am Horizont leuchtet ein altes Versprechen wieder auf: die Aneignung der Produktionsmittel." (http://kongress.rechtaufstadt.net/)

Ja, es ist einiges geschehen seit den 70ger Jahren. Nicht dass es prinzipiell neu wäre: Die Erzeugung von Armut durch die Vermehrung von Geld, die Abschottung der Eliten vom Rest der Welt, die Ausgrenzung der Schwachen, die Produktion von Randgruppen, die Lohnaneignung durch hohe Mieten, und die Ausbeutung von Mensch und Natur überhaupt, das alles ist wie eh und je. Aber durch die geschlossene weltweite Unterwerfung der Politik unter das Kapital hat sich das einstige Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital in das Verhältnis von reichen und armen Ländern gewandelt. Wir leben in einem Reichtum an Geld und sind dennoch arm, weil Geld nur denen taugt, die es verwerten können. Nicht mehr die Güter für das Leben stehen im Fokus der Interessen, sondern ein Brei von Konsumgegenständen, von Events und Spielen, Kommunikationsmittel, Erlebnissen und Anreizungen, die nicht nur gierig und süchtig machen, sondern auch die Abhängigkeit von Lizenzen und Mieten und Krediten totalisieren.

Die Städte stellen es spürbar dar: Sie funktionieren wie das große Arrangement einer konzertierten Kapitalverwertungsanlage, in welcher die Menschen wie in einem großen Unternehmen eingeteilt und angeleitet werden, ihr Bestes für den Betrieb zu geben und ihre Bedürfnisse hiernach auszurichten. Der Betrieb heißt Sparpaket und wurde von raffinierten Geldjongleuren zusammengekleistert und zur Chefsache der Staatsregierung erklärt, weil es eben um die Staatsverschuldung selbst gehen soll, um unser aller Schuld, die der Handel mit Wertapieren und Krediten uns eingebrockt hat. Dafür muss Geld eingenommen werden und dafür muss alles dem großen Geld zu Diensten sein. Das Kapital muss man deshalb stützen, die Menschen kann man fallen lassen, wenn sie hierfür nicht mehr taugen, wenn sie sich als Humankapital nicht mehr verwerten lassen. In deutschen Großstädten wie München, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Leipzig, Freiburg und anderen gibt es viel Leerstand von Gewerberaum und wenig Wohnraum für die Menschen, die dort leben. Ihre Mieten werden immer teurer, während ganze Hochhäuser, wie z.B. der ASTRA-Turm in Hamburg, leerstehen, weil die darin angebotenen Büroräume nicht gefragt sind. Aber der Leerstand erbringt Profit, weil das Gebäude zuvorderst zur Abschreibung errichtet wurde. Lieber keine Mieter als billige Mieten, lautet die Parole der Hochpreispolitik. Irgendwann wird sie sich auszahlen, denn Nachfrage kann man auch politisch erzeugen, indem man den Raum beherrscht.

Es herrscht der Schein des Fortschritts durch Gigantomanie. Inzwischen gibt es schon ganze Stadtteile, die nach dem Motto betrieben werden: Lieber die großen Fassaden der Konzerne ausstellen, als Arbeitsplätze zu verlieren. Nichts fürchtet die Kommunalverwaltung mehr als ausufernde Sozialleistungen, die Abwärtsspirale der Sozialverschuldung durch die Verminderung der Beitragsleistungen, die durch Billiglöhne und Arbeitslosigkeit entsteht. Und weil es vermeintlich die Großinvestoren sind, die Arbeitsplätze besorgen, nimmt es jede Stadtregierung hin, dass ihr Grund und Boden immer absurder vermarktet wird. Stadtplanung bedient daher vor allem die Investoren, die versprechen, Arbeit beizubringen in einer Gesellschaft, der immer mehr die Arbeit ausgeht. Der Kreislauf ist geschlossen: Das Wertwachstum lässt die Realisierbarkeit der Werte schwinden und die Krise, die hierauf folgt, macht wiederum klar, dass nur verwertbare Arbeit Wert schafft, eben Geld und Kapital. Solange es den Kapitalismus gibt, ist eben nur Geld und Kapital der Motor jeder Entwicklung. Und die menschliche Arbeit bleibt das Treibmittel, um so mehr, wie sie zugleich durch Maschinen ersetzt wird. Maschinen können eben keinen Mehrwert bilden, weil ihr Wert in die Produkte übergeht. Auch wenn für die Menschen immer weniger Arbeit nötig wäre muss immer mehr hierfür betrieben werden, gerade weil nur hierdurch auf die Krisen reagiert werden kann, die das Kapital durch seinen inneren Widerspruch selbst erzeugt. Nicht Arbeitsplätze sondern Billiglöhne schaffen mehr Arbeit. Und wer glaubt, dass es hierzu keine Alternative gibt, der nimmt, was er kriegt, auch wenns Leib und Seele verdirbt. Es herrscht Leerlauf wo man hinschaut.

Der ganze Text mit Auseinandersetzungen zu einzelnen Themen des Kongresses steht auf: http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol098